Vergleichswertverfahren – Schritt für Schritt-Anleitung mit Beispielen

Immobilien miteinander vergleichen und so den aktuellen Wert ermitteln – dafür kommt das Vergleichswertverfahren zum Einsatz. Als eines von drei Verfahren, die in Deutschland zur Immobilienbewertung zugelassen sind, wird es tagtäglich von Sachverständigen angewandt. Und auch als Laie kannst du damit deine Immobilie zuverlässig schätzen, wenn du einige Grundregeln beachtest. In diesem Artikel zeige ich dir Schritt für Schritt, wie das Vergleichswertverfahren funktioniert.

Wann wird das Vergleichswertverfahren gewählt?

Das Vergleichswertverfahren gilt als zuverlässige Methode, um den Wert einer Immobilie zu ermitteln. Doch warum ist das so?

Nach dem Einmaleins der freien Marktwirtschaft ist eine Sache immer so viel wert, wie Käufer zu zahlen bereit sind. Oder anders gesagt: so viel, wie im gewöhnlichen Geschäftsverkehr unter vergleichbaren Bedingungen bereits für eine vergleichbare Sache gezahlt wurde. 

Immobilien stellen hier keine Ausnahme dar. So kann ein Haus top-gepflegt und ausgestattet sein, aber auf dem Markt dennoch einen geringen Preis erzielen, wenn die Nachfrage fehlt. Anders als das Sachwertverfahren und das Ertragswertverfahren hat das Vergleichswertverfahren den Vorteil, dass hier reale Kaufpreise im Vordergrund stehen. Somit wird das Marktgeschehen direkt oder annähernd direkt abgebildet. 

Jedoch ist das Verfahren auch mit Nachteilen behaftet:

Um den Immobilienwert zu ermitteln, müssen Vergleichswerte vorliegen: und zwar anhand der Verkaufspreise gleicher oder ähnlicher Immobilien. Fehlen diese Daten oder liegen die Verkäufe zu lange zurück, verzerrt dies das Ergebnis.

Darum kommt das Vergleichswertverfahren vor allem für „Standard-Immobilien“ zum Einsatz: etwa Wohnungen in einer großen Wohnanlage oder Reihenhäuser, die ähnlich gebaut und ausgestattet sind. Handelt es sich dagegen um eine Immobilie mit sehr speziellen Merkmalen, bevorzugen die meisten Gutachter das Sachwertverfahren.

Ein weiterer Nachteil:

Das Vergleichswertverfahren lässt sich mithilfe weniger Rechenschritte durchführen. Das macht es einfacher als das Sachwert- und Ertragswertverfahren, erfordert jedoch viel Sachverstand und Erfahrung. Der nachfolgende Absatz soll dies verdeutlichen:

Wann sind zwei Immobilien vergleichbar?

Um das Vergleichswertverfahren gewinnbringend anzusetzen, sollten die zu vergleichenden Immobilien in folgenden Punkten übereinstimmen oder zumindest sehr ähnlich sein:

  • Lage des Grundstücks
  • Erschließungsgrad des Grundstücks (Strom, Abwasser, Internet etc.)
  • Beschaffenheit des Bodens 
  • Zuschnitt und Größe des Grundstücks
  • Himmelsausrichtung des Grundstücks
  • Bauliche Nutzung auf dem Grundstück (Art, Maß und vorgeschriebene Bauweise)

Wenn das Grundstück bebaut ist, sollten die Vergleichsobjekte in weiteren Kriterien übereinstimmen:

  • Alter und Art des Gebäudes
  • Größe und Grundriss
  • Zustand 
  • Qualität der Ausstattung
  • Energieeffizienz
  • Restnutzungsdauer
  • Einschränkung der Nutzung oder Veränderung – etwa bei Denkmalschutz

Die Kunst besteht darin, zu entscheiden, welche Werte als „ähnlich“ anzusehen sind. Lassen sich beispielsweise zwei Wohnungen vergleichen, die um 10 m2 in der Wohnfläche abweichen? Wahrscheinlich schon. Aber wie steht es mit 20 m2? In diesem Fall dürften sich Laien schwertun, 

die Unterschiede angemessen zu gewichten. 

Ablauf des Vergleichswertverfahrens

Nehmen wir an, du möchtest deine Immobilie mit einem Objekt vergleichen und so den Wert ermitteln. Dann lautet die Formel:

Verkehrswert = (Verkaufspreis des Vergleichsobjektes / Fläche des Vergleichsobjektes) x Fläche des Bewertungsobjektes 

Auch der Vergleich mit mehreren Objekten ist kein Problem – und für ein aussagekräftiges Ergebnis fast schon Pflicht. Dafür verwendest du folgende Formel:

Verkehrswert = (((Verkaufspreis von Vergleichsobjekt 1/ Fläche von Vergleichsobjekt 1) + (Verkaufspreis von Vergleichsobjekt 2/ Fläche von Vergleichsobjekt 2) usw…/ Anzahl der Vergleichsobjekte) x Fläche des Bewertungsobjektes.

Direktes und indirektes Vergleichswertverfahren

Wichtig: Die oben genannte Vorgehensweise kommt nur infrage, wenn am Standort kürzlich eine oder mehrere Immobilien verkauft wurden, die dem zu bewerteten Objekt ähneln. Doch evtl. liegen die letzten Verkäufe schon länger zurück oder die verkauften Immobilien waren zu verschieden. 

In diesem Fall bietet sich das indirekte Verfahren an.

Statt des Verkaufswerts wird hier mit sog. Vergleichspreisen gerechnet, die von den regionalen Gutachterausschüssen ermittelt und regelmäßig in einem Marktbericht veröffentlicht werden. Diesen Marktbericht kannst du meist direkt vom Gutachterausschuss deiner Stadt/Gemeinde kaufen. 

Die Formel für die Berechnung lautet:

Größe der Immobilie in m² x Vergleichspreis / m² = Verkehrswert 

Zu- und Abschläge beim Vergleichswertverfahren

Wahrscheinlich ist dir schon aufgefallen, dass in den bisher genannten Formeln nur von Verkaufspreis und Fläche die Rede ist. Doch was ist mit anderen Merkmalen, anhand derer Immobilien verglichen werden können – etwa die Ausstattung oder Nutzbarkeit? Diese werden in Form von Zu- oder Abschlägen berücksichtigt.  

Dazu einige Beispiele:

  • Die für den Vergleich herangezogene Muster-Immobilie wurde 1980 erbaut – das zu bewertende Objekt jedoch 1989. Dessen Wert wird aufgrund des geringeren Alters um 5 % nach oben korrigiert.
  • Liegt das Vergleichsobjekt im ersten Stock, die zu bewertende Wohnung jedoch im Erdgeschoss, ist eine Anpassung von -20 % denkbar.
  • Wurde die Immobilie – anders als das Vergleichsobjekt – modernisiert, sollte ein Zuschlag von 15 % auf den Wert erfolgen. Dasselbe ist denkbar, wenn sich die Immobilien in der Qualität ihrer Ausstattung unterscheiden.

Weitere Merkmale, die Ab- bzw. Zuschläge rechtfertigen, sind u. a.

  • Lärm- und Geruchsbelästigung
  • Lage innerhalb eines Stadtteils (z. B. Anschluss an öffentliche Verkehrsmittel, Geschäfte in der Nähe etc.)
  • vorteilhafter oder unvorteilhafter bzw. nicht mehr zeitgemäßer Grundriss
  • Parkmöglichkeiten (Garage, Stellplätze etc.)

Achtung: Fallen die Zu- oder Abschläge zu hoch aus, droht das Vergleichswertverfahren an Aussagekraft zu verlieren. Darum gelten unter Sachverständigen 30–35 % als Höchstgrenze.

Natürlich kann der Verkehrswert auch um konkrete Summen angehoben oder gemindert werden. Ein Beispiel: Die Immobilie weist Mängel auf, die vor Einzug der neuen Bewohner beseitigt werden müssen. Die Reparaturkosten von 5.000 Euro werden vom vorläufigen Verkehrswert abgezogen.

Beispiel A – Direktes Vergleichswertverfahren

Nehmen wir an, du möchtest den Wert deines Einfamilienhauses ermitteln. Glücklicherweise kam es am Standort erst kürzlich zum Verkauf von 2 ähnlichen Objekten:

  • Objekt A besitzt eine Fläche von 200 m2 und wurde für 240.000 Euro verkauft.
  • Objekt B besitzt eine Fläche von 180 m2 und wurde für 220.000 Euro verkauft. 

In einem ersten Schritt teilst du den Verkaufspreis durch die Fläche und erhältst somit den Preis pro Quadratmeter:

  • Objekt A: 1.200 Euro/m2
  • Objekt B: 1.222 Euro/m2

Diese Preise werden nun addiert und durch die Anzahl der Vergleichsobjekte – also 2 – geteilt:

(1.200 + 1.222) / 2 = 1.211 Euro/m2

Als nächsten Schritt multiplizierst du diesen Wert mit der Fläche der zu bewertenden Immobilie – beispielsweise 210 m2:

Der vorläufige Vergleichswert der Immobilie beträgt demnach 254.310 Euro.

Als letztes geht es darum, spezielle Merkmale der Immobilie zu berücksichtigen. In unserem Beispiel besitzt sie im Vergleich zu den anderen Objekten eine gehobene Ausstattung und wurde später erbaut. Darum wird der Wert um 10 % nach oben korrigiert, was einem Vergleichswert von 279.741 Euro entspricht. 

Beispiel B – Indirektes Vergleichswertverfahren

Bleiben wir bei unserer Beispiel-Immobilie: einem 210 m2 großen Einfamilienhaus. Da in letzter Zeit kein ähnliches Objekt am Standort verkauft wurde, fällt das direkte Vergleichswertverfahren weg. 

Stattdessen ergibt ein Blick in den Marktbericht: Immobilien dieser Art erzielen einen durchschnittlichen Vergleichspreis von 1.240 Euro/m2.

Um den Verkehrswert zu erhalten, multiplizierst du diesen Preis mit der Größe der Immobilie:

210 x 1.240 = 260.400 

Anschließend werden – wie im letzten Beispiel – objektspezifische Merkmale in Form von Ab- oder Zuschlägen berücksichtigt. 

Max Karänke

Ich bin Sachverständiger für Immobilienbewertung und über 15 Jahre in der Immobilienbranche tätig. Meine Gutachten schreibe ich für Gerichte, Unternehmen, Kommunen und Privatpersonen. Auf meinem Blog erkläre ich Immobilienthemen leicht verständlich.