Was ist ein Nießbrauch?
Nießbrauchrechte nach §§ 1018 – 1029 BGB
Hier findest du die wesentlichen Informationen zum Thema Nießbrauch.
Ich erkläre dir was ein Nießbrauch ist, welche Besonderheiten ein Nießbrauch umfasst und das Beste: Ich zeige dir wie man den Wert eines Nießbrauchs und den Wert eines durch Nießbrauch belasteten Grundstücks berechnet!
Kapitelübersicht:
- Was ist ein Nießbrauch oder auch Nießnutzrecht nach dem BGB?
- Ist ein Nießbrauch vererbbar?
- Was bedeutet bei einem Nießbrauch Nutzung und Fruchtziehung?
- Wie wird ein Nießbrauch im Grundbuch eingetragen und wie kann ein Nießbrauch aus dem Grundbuch gelöscht werden?
- In welchen Fällen ist ein Nießbrauch sinnvoll (Nießbrauch Beispiele, Steuer sparen)?
- Welche Formen des Nießbrauchs gibt es?
- Was ist der Unterschied zwischen Nießbrauch und Wohnungsrecht?
- Welche Pflichten und Kosten sind mit einem Nießbrauch verbunden?
- Wie wird ein Nießbrauch bewertet?
1. Was ist ein Nießbrauch oder auch Nießnutzrecht nach dem BGB?
Nach § 1030 BGB kann eine Sache in der Art und Weise so belastet werden, dass derjenige, zu dessen Gunsten die Belastung erfolgt, berechtigt ist die Sache zu nutzen.
Das ist die rechtliche Definition von Nießbrauch!
Einfacher kann man sagen, dass bei einem Nießbrauch, der Nießbrauchberechtigte das absolute Recht hat eine fremde Sache, hier im Regelfall eine Immobilie, zu nutzen.
Das bedeutet: Der Eigentümer einer Immobilie überträgt einem anderen, dem Nießbrauchberechtigten, das Recht der Nutzung der Immobilie und Fruchtziehung aus dieser.
Es handelt sich so zu sagen um ein in der Regel lebenslanges Wohn- und Nutzrecht einer Immobilie und dessen Grundstück.
Der Eigentümer behält demnach nur das Verfügungsrecht über die Sache für sich. Das bedeutet bspw., nur der Eigentümer kann die Immobilie verkaufen.
Ein Nießbrauch wird im Grundbuch in Abteilung II eingetragen und ist rechtssicher.
2. Ist ein Nießbrauch vererbbar?
Ein Nießbrauch ist nicht veräußerbar und nicht vererbbar. Es gilt für die gesamte Lebenszeit eines Nießbrauchberechtigten.
3. Was bedeutet bei einem Nießbrauch Nutzung und Fruchtziehung?
Durch die Übertragung des absoluten Rechts für die Nutzung und Fruchtziehung wird der Nießbrauchberechtigte wirtschaftlicher Eigentümer der Sache.
Das bedeutet er darf z.B. das Grundstück oder die Wohnung umfassend nutzen und Erträge daraus erwirtschaften.
Die so genannte Fruchtziehung ist dabei das Besondere, denn der Nießbrauchberechtigte darf die Ausbeute des Grundstücks ziehen. Erträge können landwirtschaftliche Erzeugnisse des Grundstücks, aber auch abgebaute Rohstoffe von dem Grundstück, sowie Miet- und Pachtzahlungen sein.
Achtung: Ein Nießbrauch kann rechtlich auch eingeschränkt werden, so dass einzelne Nutzungen ausgeschlossen sind
4. Wie wird ein Nießbrauch im Grundbuch eingetragen und wie kann ein Nießbrauch aus dem Grundbuch gelöscht werden?
Ein Nießbrauch wird nach deutschem Recht beim Notar beurkundet und anschließend im Grundbuch in Abteilung II eingetragen.
Ein eingetragenes Nießbrauchrecht zu löschen ist alles andere als einfach. Dies geht nur mit Einwilligung des Nießbrauchberechtigten und notarieller Löschungsbewilligung. In manchen Fällen ist es natürlich möglich und sinnvoll dem Nießbrauchberechtigten das Nießbrauchrecht abzukaufen. Siehe hierzu auch die Berechnung des Wertes eines Nießbrauchs im letzten Kapitel.
5. In welchen Fällen ist ein Nießbrauch sinnvoll (Nießbrauch Beispiele)?
Ein Nießbrauch ist in der Regel dann sinnvoll, wenn ein Eigentümer möglichen späteren Erben bereits zu Lebzeiten eine Immobilie übertragen möchte, sich aber gleichzeitig absichern möchte, dass er oder sie im Falle von Streitigkeiten ein lebenslanges Recht hat in der Immobilie zu leben oder aber die Mieteinnahmen aus der Vermietung der Immobilie sicher zu haben.
In einigen Fällen lohnt es sich steuerlich eine Immobilie bereits vor dem Eintreten des Erbschaftsfalles zu übergeben. Beispielsweise ist es so, dass der Steuerfreibetrag für die Schenkung einer Immobilie an Kindern in Deutschland bei 400.000 € liegt. Wenn die Immobilie aber mehr Wert ist, wird über die Einrichtung des Nießbrauches der Wert des Nießbrauches abgezogen. Je nach Wert des Nießbrauches liegt der Wert der Immobilie dann oftmals wieder unter dem Freibetrag und die Schenkung kann steuerfrei erfolgen.
Definitiv eine Überlegung wert!
6. Welche Formen des Nießbrauch gibt es (Nießbrauch Beispiele, Steuer sparen)?
In Deutschland gibt es in der Regel 3 verschiedene Formen des Nießbrauches: Den Zuwendungsnießbrauch, den Vorbehaltsnießbrauch und den nachrangigen Nießbrauch.
Bei einem Zuwendungsnießbrauch bleibt der Eigentümer, der Eigentümer der Immobilie und richtet einer anderen Person ein Nießbrauch ein. Also zum Beispiel richtet ein Vater seinem Kind einen Nießbrauch ein, damit es die Mieteinnahmen der vermieteten Immobilie für die Finanzierung des eigenen Studiums einsetzen kann.
Bei einem Vorbehaltsnießbrauch wechselt die Immobilie den Eigentümer und der alte Eigentümer erhält den Nießbrauch für die Immobilie. Also zum Beispiel schenkt ein Vater seinem Kind die Immobilie, bekommt aber den Nießbrauch für diese, damit er sicher gehen kann, dass er die Immobilie zu Lebzeiten nutzen oder vermieten kann.
Bei einem nachrangigen Nießbrauch wird mit dem Eigentümer und dem Nießbrauchberechtigten vereinbart, auf wen das Nießbrauch übergehen soll, wenn der Nießbrauchberechtigte verstirbt.
Achtung: Da ein Nießbrauch nicht vererbbar oder veräußerbar ist, muss ein geplanter Übergang eines Nießbrauchs immer mit beiden Parteien notariell als nachrangiger Nießbrauch beurkundet werden.
7. Was ist der Unterschied zwischen Nießbrauch und Wohnungsrecht?
Der Unterschied zwischen einem Nießbrauch und einem Wohnungsrecht liegt in dem Recht der Nutzung der Immobilie.
Bei einem Wohnungsrecht ist der Rechtinhaber berechtigt die Immobilie zu nutzen, nicht aber z.B. diese zu vermieten oder Erzeugnisse aus dem Grundstück zu ziehen.
So darf ein Nießbrauchberechtigter zum Beispiel die Immobilie für die er oder sie das Nießbrach hält auch vermieten und die Mieteinnahmen behalten, wenn die Vermietung nicht vertraglich ausgeschlossen wird.
8. Welche Pflichten und Kosten sind mit einem Nießbrauch verbunden?
Der entscheidende Vorteil des Nießbrauchs für einen Nießbrauchberechtigten ist die so genannte Fruchtziehung aus der Immobilie. Das bedeutet anders als beim einfachen Wohnrecht, darf er die Immobilie auch vermieten.
Der Nachteil gegenüber einem Eigentum ist, dass der Nießbrauchnehmer ohne die Zustimmung des Eigentümers keine tiefgreifenden Veränderungen der Wohnräume vornehmen darf, wie z.B. Wände einreißen und versetzen.
In diesem Zusammenhang hat er natürlich auch einige Kosten zu tragen. Das bedeutet er ist für die Kosten von Reparaturen, die auf einen üblichen Verschleiß zurück zu führen sind, er zahlt Abgaben für die Kommune, Grundsteuer und Versicherungen aus eigener Tasche.
Der Eigentümer der Immobilie hingegen kommt für weitergehende notwendige Sanierungskosten wie z.B. die Heizung oder Dachreparaturen auf.
9. Wie wird ein Nießbrauch bewertet?
Zunächst ist es wichtig, dass natürlich alle wertrelevanten Faktoren in der Bewertung Berücksichtigung finden müssen.
Hierbei ist zu bedenken, ob das Recht befristet oder unbefristet ist, entgeltlich oder unentgeltlich besteht, für welche Partei die Bewirtschaftungskosten anfallen und wer die öffentlich- sowie privatrechtlichen Lasten des Grundstücks trägt.
Die wertrelevanten Faktoren bezieht man über die Berechnung von Vor- und Nachteilen für die jeweiligen Parteien ein.
Ich habe dir für die Berechnung zwei Beispiele aufgeführt. Sie zeigen dir einmal die Berechnung für ein Einfamilienhaus- und einmal für ein Mehrfamilienhausgrundstück.
Achtung: Für die Berechnung benötigst du den Sachwert bzw. je nach Objekt auch den Ertragswert des Objektes. Um es einfach zu halten habe ich dir den Wert in den Beispielen vorgegeben. Wenn du einen Sachwert oder Ertragswert selbst berechnen möchtest, findest du hier eine Anleitung, wie du den Verkehrswert einer Immobilie richtig berechnest.
Ein Beispiel aus der Praxis für die Bewertung eines Nießbrauchs und des damit belasteten Grundstücks mit einem Einfamilienhaus
Wertermittlung eines Nießbrauchs über ein Einfamilienhausgrundstück
Datenbasis:
- Zeitwert der baulichen Anlagen (ZBA):
| 67.500,00 € |
| 60.000,00 € |
- Verkehrswert unbelastetes Grundstück (VW):
| 127.500,00 € |
| 7.200 € |
- Vorteil wegen Unkündbarkeit / Schutz vor Mieterhöhung:
| 720,00 € |
- Liegenschaftszinssatz (LSZ):
| 3,00 % |
- Geschlecht der berechtigten Person:
| weiblich |
- Alter der berechtigten Person:
| 70 Jahre |
- Statistische Restlebenserwartung d. berechtigten Person:
| 16 Jahre | - Leibrentenbarwertfaktor (w, 70 Jahre, 3 %):
| 12,1916 |
- An das Leben gebundener Abzinsungsfaktor (w, 70 J., 3 %):
| 0,5803 |
- Bewirtschaftungskosten getragen v. d. berechtigten Person:
| 800,00 € |
Berechnung:
Wert des Nießbrauchs:
Jährlicher Nutzungswert aus ersparter Miete (JNWM) | | | 7.200,00 € |
zzgl.Vorteil wegen Unkündbarkeit / Schutz vor Mieterhöhung | 7.200,00 € | 10% | 720,00 € |
abzgl. Bewirtschaftungskosten | | | 800,00 € |
Jährlicher Nutzungswert aus dem Grundstück (JNW) | | | 7.120,00 € |
Wert des Nießbrauchs (WN=JNW*LBF) | 7.120,00 € | 12,1916 | 86.804,00 € |
Wert des Nießbrauchs rd. | | | 87.000,00 € |
Wert des belasteten Grundstücks:
Diskontierter Verkehrswert (DVW=VW*LAF) | 127.500,00 € | 0,5819 | 74.192,00 € |
zzgl. Vorteil aus Übernahme der Bewirtschaftungskosten (V=BWK*LBF) | 800,00 € | 12,1916 | 9.753,00 € |
Verkehrswert des belasteten Grundstücks | | | 83.945,00 € |
Verkehrswert des belasteten Grundstücks rd. | | | 84.000,00 € |
Ein Beispiel aus der Praxis für die Bewertung eines Nießbrauchs und des damit belasteten Grundstücks mit einem Mehrfamilienhaus
Wertermittlung eines Nießbrauchs über ein Mehrfamilienhausgrundstück
Datenbasis:
- Verkehrswert unbelastetes Grundstück (VW):
| 665.000,00 € |
| 40.000 € |
- Liegenschaftszinssatz (LSZ):
| 5,50 % |
- Geschlecht der berechtigten Person:
| weiblich |
- Alter der berechtigten Person:
| 70 Jahre |
- Statistische Restlebenserwartung d. berechtigten Person:
| 16 Jahre |
- Leibrentenbarwertfaktor (w, 70 Jahre, 5,5 %):
| 10,0911 |
- Bewirtschaftungskosten getragen v. d. berechtigten Person:
| 5.000,00 € |
Berechnung:
Wert des Nießbrauchs:
Jahresrohertrag (JRoE) | | | 40.000,00 € |
abzgl. Bewirtschaftungskosten | | | 5.000,00 € |
Jährlicher Nutzungswert (JNW) | | | 35.000,00 € |
Wert des Nießbrauchs (WN=JNW*LBF) | 35.000,00 € | 10,0911 | 353.190,00 € |
Wert des Nießbrauchs rd. | | | 353.000,00 € |
Wert des belasteten Grundstücks:
Verkehrswert des unbelasteten Grundstücks | | | 665.000,00 € |
zzgl. Vorteil aus Übernahme der Bewirtschaftungskosten (V=BWK*LBF) | 5.000,00 € | 10,0911 | 50.456,00 € |
abzgl. Nachteil aus entgangener Nettokaltmiete (N=JRoE*LBF) | 40.000,00 € | 10,0911 | -403.646,00 € |
Verkehrswert des belasteten Grundstücks | | | 311.810,00 € |
Verkehrswert des belasteten Grundstücks rd. | | | 310.000,00 € |